Modernes Foto: Links ein schulähnliches Haus, rechts ein zweistöckiges Wohnhaus, dahinter Bäume

Neuer Bestand im Hauptstaatsarchiv!

Das Hauptstaatsarchiv erhält Unterlagen der Fördereinrichtung für junge Zugewanderte, die seit Februar 2024 unter der Bestandsnummer 579 im HHStAW zu finden sind.

Versteckt im Wald zwischen Hanau und Gelnhausen befindet sich bei Hasselroth auf einem ehemaligen Kasernengelände die Hessische Fördereinrichtung für junge Zugewanderte. Über eine enge Zufahrtsstraße erreicht man eine kleine Siedlung mit Sportplatz, Backsteingebäuden und Nachkriegsbauten. In einem Keller der Gebäude lagerten jahrzehntelang die Unterlagen dieser Einrichtung. Jetzt haben sie ihren Weg ins Archiv gefunden und werden dort zukünftig für die Nutzung bereitstehen.

Im Jahre 1959 beschloss der Hessische Landtag die Einrichtung einer zentralen Förderschule für jugendliche Aussiedler, um diese bei der Überwindung sprachlicher und beruflicher Barrieren zu unterstützen. Ihren Ursprung hat die Einrichtung als Wohnheim für Personen, die nach dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten in die BRD kamen. Zunächst wurde die Behörde im Schloss in Wächtersbach eingerichtet, bevor sie 1964 nach Hasselroth umzog. Sie schloss sich administrativ an das Hessische Flüchtlingswohnheim an. 

Am neuen Standort in Hasselroth wurde zusätzlich ein Internat für jüngere Schüler eingerichtet. Der Fokus lag künftig auf dem Erlernen der deutschen Sprache und der Erlangung eines Schulabschlusses. Nach 1945 war die deutsche Sprache in der Öffentlichkeit in Polen verboten und deutsche Schulen wurden geschlossen. Viele jüngere Aussiedler beherrschten daher kaum Deutsch. Es wurden zur Unterstützung moderne Sprachlabore eingerichtet, in denen die Schüler – je nach Sprachkenntnissen – bis zu einem Jahr in Intensivkursen unterrichtet wurden. 

Modernes Foto: Jugendliche mit Kopfhörern sitzen an Pulten, rechts eine Besuchergruppe, vorne rechts ein Lehrer an einem Schaltpult
CDU-Politiker beim Besuch des Sprachlabors der Förderschule im Flüchtlingslager Hasselroth, 1972 (HHStAW, 3008/1, 1860)

Das Ziel war die Eingliederung der Zugewanderten in das Berufsleben oder die weiterführende Schule. Darüber hinaus wurde mit den Bewohnern auch sozialpädagogisch gearbeitet. Im Anschluss wurden sie bei der Ausbildungssuche unterstützt. Seit Ende der 1970er Jahren kooperiert die Einrichtung eng mit den beruflichen Schulen in Hanau, an denen die Zugewanderten ihren Abschluss machen können.

Heute ist die Fördereinrichtung für junge Eingewanderte in Hasselroth ein Dezernat des Regierungspräsidiums Darmstadt. Nun hat die Einrichtung zum ersten Mal ihre Akten abgegeben. Erfreulicherweise fand das Referat 22 in der Altregistratur der Einrichtung eine nahezu vollständige Überlieferung vor. Die Akten beginnen somit in den späten 1950er Jahren und laufen bis in die heutige Zeit. Insgesamt handelte es sich bei der Aussonderung ungefähr um einen Umfang von 150 laufenden Metern von denen zehn übernommen wurden. Die meisten Akten lagen in Serien vor, die teilweise über Jahrzehnte geführt wurden, sodass wir eine Auswahlarchivierung vorgenommen haben. Dies ist eine bewährte Methode, wenn gleichförmige Akten chronologisch oder alphabetisch angelegt werden. Es bietet sich dann an, bestimmte Buchstaben oder Jahre zu übernehmen, um eine exemplarische Auswahl zu treffen und so ein möglichst vielfältiges Bild der Vergangenheit zu überliefern ohne eine Vollarchivierung durchzuführen. Beispielsweise wurde bei der Serie zur Auszahlung der Sozialhilfe, die nach Nummern abgelegt ist, immer der Ordner mit der 100. Nummer übernommen. Zusätzlich wurde der letzte Ordner als archivwürdig bewertet, weil dieser dokumentiert, warum die Auszahlung der Sozialhilfe durch die Dienststelle endet. Daneben gibt es Fälle, die eine komplette Übernahme rechtfertigen. Aus Gründen der Rechtssicherung haben wir z.B. alle Zeugnisse der Jahre 1962 bis 1979 als archivwürdig bewertet. Mögliche Rentenansprüche der Absolventen sind so garantiert nachvollziehbar. Für die Folgejahre konnte anders entschieden werden, da die Zeugnisse seitdem bei den kooperierenden Schulen aufbewahrt werden. Weitere interessante Quellen sind die Aufnahme- und Abgangsbücher sowie eine Kartei, die alle Personen abbildet, die in der Anfangszeit in die Fördereinrichtung aufgenommen wurden.

Durch die Eingliederung der Fördereinrichtung in das Regierungspräsidium Darmstadt und damit einhergehende Aufgabenverlagerungen nehmen Umfang und inhaltliche Dichte der angebotenen Unterlagen seit den 1980er Jahren ab. Dies hat zur Folge, dass weniger jüngere Unterlagen aus Hasselroth als archivwürdig bewertet wurden und sich die Überlieferung auf andere Dezernate des Regierungspräsidiums konzentriert. Die Übernahme dieser Unterlagen stellt eine wertvolle Erweiterung der Bestände des Landesarchivs dar und ergänzt die Abbildung der Geschichte über Vertriebene, Flüchtlinge und Aussiedler.

Svenja Tudziers, Wiesbaden